
Soziale Zurückgezogenheit, ausgeprägte Spezialinteressen oder außergewöhnliche Begabungen – viele verbinden diese Merkmale spontan mit dem Begriff „Autismus“. Doch das Spektrum der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist deutlich vielfältiger und komplexer. Diese neurologische Entwicklungsstörung tritt meist schon in der frühen Kindheit auf und begleitet die Betroffenen ein Leben lang. Häufig benötigen sie eine dauerhafte Unterstützung im Alltag.
Themenübersicht
Das Wichtigste in Kürze
- Autismus-Spektrum-Störungen sind neurologische Entwicklungsstörungen, die Kommunikation, soziale Interaktion und Verhalten beeinflussen.
- Ursachen sind nicht eindeutig geklärt, genetische Faktoren und Schwangerschaftskomplikationen spielen jedoch eine Rolle.
- Frühe Symptome sind oft fehlender Blickkontakt, reduzierte Reaktion auf äußere Reize und Sprachverzögerungen.
- Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen, bei denen die Diagnose oft schwieriger ist.
- Formen der ASS umfassen frühkindlichen Autismus, Asperger-Syndrom und atypischen Autismus.
- Die Erkrankung ist nicht heilbar, aber gezielte Therapien verbessern die Lebensqualität deutlich.
- Unterstützung durch Verhaltenstherapie, Logopädie und Ergotherapie ist entscheidend für die Förderung der Betroffenen.
Was ist eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS)?

Der Begriff „Autismus-Spektrum-Störung“ löst zunehmend die Bezeichnung „Autismus“ ab. Fachleute unterscheiden diesen Komplex in verschiedene Gruppen wie den „frühkindlichen Autismus“, das „Asperger-Syndrom“ und den „atypischen Autismus“. Diesen Störungen ist gemein, dass sie auf einer neurologischen Entwicklungsverzögerung beruhen und mit Auffälligkeiten in der Kommunikation, der sozialen Interaktion und dem Verhalten einhergehen.
Ursprünglich durch den Psychiater Eugen Bleuler als Bezeichnung eines Symptoms der Schizophrenie verwendet, wurde der Begriff des „Autismus“ bereits im Jahr 1911 genutzt. Damals stand er für eine auffällige Zurückgezogenheit und ausgeprägte innere Gedankenwelt von Betroffenen.
Zur Zeit des Dritten Reiches wurde der Begriff „Autismus“ dann zunehmend für eine vielfältige Entwicklungsstörung verwendet. So beschrieb der Kinderpsychiater Leo Kanner 1943 damit starke Auffälligkeiten in der geistigen Entwicklung, die bei Kindern bereits im Alter von weniger als 3 Jahren auftraten und als angeboren galten. Dieses Syndrom entspricht dem „frühkindlichen Autismus“. Fachleute bezeichnen diese Erkrankung auch als Kanner-Syndrom. Parallel entwickelte Hans Asperger ebenfalls den Begriff weiter. Er beschrieb damit allerdings eine schwächere Form, die später als „Asperger-Syndrom“ bekannt wurde.
Schon gewusst?
Ohne voneinander zu wissen, entwickelten Herr Kanner und Herr Asperger den Begriff des Autismus hinsichtlich einer neurologischen Entwicklungsstörung weiter. Während der frühkindliche Autismus nach Kanner rasch international bekannt war, dauerte es bei dem Asperger-Syndrom noch mehrere Jahrzehnte. Dies war auch den mangelnden Veröffentlichungen Aspergers Erkenntnisse in englischer Sprache geschuldet.
Ursache und Entstehung von Autismus
Die genauen Ursachen der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) sind bis heute nicht vollständig geklärt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten jedoch, dass genetische Faktoren maßgeblich beteiligt sind, da Autismus in Familien gehäuft auftritt. So zeigen Studien, dass das Risiko, ein autistisches Kind zu bekommen, erhöht ist, wenn bereits Geschwister oder nahe Verwandte betroffen sind.
Auch bestimmte Umwelteinflüsse könnten zur Entstehung von Autismus beitragen. Dazu zählen beispielsweise:
- Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt, etwa Sauerstoffmangel oder Frühgeburt
- Infektionen der Mutter während der Schwangerschaft, z. B. Röteln oder andere virale Infekte
- höheres Alter der Eltern bei der Geburt des Kindes
- Einnahme bestimmter Medikamente während der Schwangerschaft
Zudem vermuten Forschende Veränderungen im Gehirnstoffwechsel und in der neuronalen Vernetzung, die sich bereits vorgeburtlich entwickeln und zu den typischen Auffälligkeiten führen. Eines steht jedoch fest: Impfungen verursachen nach aktuellem Forschungsstand keinen Autismus, eine Annahme, die früher weit verbreitet war und mittlerweile eindeutig widerlegt wurde.
Symptome bei Autismus frühzeitig erkennen

Wie genau sich die Erkrankung äußert, ist individuell sehr unterschiedlich. So sind die spezifischen Symptome, aber v. a. der Schweregrad ihrer Ausprägung verschieden.
Die Symptome betreffen hauptsächlich folgende 3 Bereiche:
- soziale Interaktion
- Kommunikation
- Verhalten und die Interessen
Typische Autismus-Symptome bei Kindern
- wenig oder kein Blickkontakt
- kaum Reaktion auf Geräusche oder Berührungen
- Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen
- Sprachentwicklungsverzögerung oder monotone Sprache
- Fixierung auf spezielle Routinen oder Gegenstände
Insgesamt sind männliche Personen wesentlich häufiger betroffen als weibliche. Außerdem besteht eine starke familiäre Häufung der ASS.
Symptome des Autismus im Bereich der sozialen Interaktion
Für Autistinnen und Autisten ist es schwer, Kontakt und Beziehungen zu anderen Personen aufzubauen. Oft ist dies schon im Säuglingsalter zu beobachten. Die Babys nehmen keinen Blickkontakt zu den Eltern auf. Sie erwidern ein Lächeln nicht und reagieren auf andere äußere Reize vermindert. Ein normaler Bindungsaufbau zu den Hauptbezugspersonen findet oft nicht statt. Später kommt es seltener zur Entwicklung von Freundschaften, oft spielen die Kinder hauptsächlich allein. Auch die Äußerung ihrer eigenen Gefühle fällt autistischen Personen schwer. So wirken sie oft starr und desinteressiert oder haben Gefühlsausbrüche, die als unangemessen gelten. Da sie die Gefühle anderer schlecht deuten können, kommt es häufig zu Missverständnissen.
Schon gewusst?
Die ersten Anzeichen des Autismus zeigen sich meist schon im Säuglingsalter. Oft denken Eltern, ihr Kind sei blind oder taub, weil es kaum auf seine Umgebung reagiert.
Symptome des Autismus im Bereich der Kommunikation
Ein zweiter Symptomkomplex stellt eine auffällige Sprachentwicklung dar. Diese reicht von einem verzögerten Sprechbeginn und einer reduzierten bis hin zu einer sehr guten Sprachentwicklung. Meist fehlt die Untermalung des Gesprochenen mit Mimik und Gestik. Auch klingen die Sätze oft monoton und roboterhaft. Häufige Wiederholungen des Gesagten sind ebenfalls typisch. Der Beginn und die Aufrechterhaltung eines Gesprächs sind vielen autistischen Menschen nicht möglich.
Zusammenfassend sind folgende Symptome für Autismus im Bereich Kommunikation typisch:
- monotone Sprechweise
- fehlende Mimik und Gestik
- häufige Wiederholungen von Worten oder Sätzen (Echolalie)
- Schwierigkeiten, Gespräche zu beginnen oder aufrechtzuerhalten
Symptome des Autismus im Bereich des Verhaltens und der Interessen

Häufig zeigen Autisten und Autistinnen Stereotypen im Verhalten. Einzelne Abläufe werden immer wieder exakt gleich wiederholt. Den Betroffenen fällt es schwer, dies zu unterbrechen. Sie interessieren sich für ganz spezielle Dinge oder Details. Dies fällt während des Spiels auf. Häufig spielen sie nur mit einem bestimmten Merkmal eines Spielzeugs. Rollenspiele sind sehr selten. Viele autistische Personen haben einen bestimmten Lieblingsgegenstand, von dem sie sich nicht trennen.
Inselbegabung (Savant-Syndrom) bei Autisten und Autistinnen
Die Assoziation zwischen dem Begriff „Autismus“ und „Hochbegabung“ ist weitverbreitet. Und es stimmt, einige autistische Personen haben eine sehr ausgeprägte Begabung in einem bestimmten Bereich, eine sogenannte „Inselbegabung“. Fachkräfte bezeichnen das Phänomen als „Savant-Syndrom“. Es betrifft beispielsweise den mathematischen, den sprachlichen oder den musischen Bereich. Andere Interessen haben die Betroffenen meist nicht. Das Auftreten des Savant-Syndroms bei Autistinnen und Autisten ist jedoch sehr selten und keinesfalls als typisch zu betrachten.
Schon gewusst?
Einige autistische Personen haben eine Inselbegabung. Dies bedeutet aber nicht, dass sie hochbegabt sind. Sie haben in einem speziellen Bereich eine starke Begabung, ihre Intelligenz weist jedoch in anderen Bereichen jede Ausprägung auf. Oftmals ist sie sogar vermindert.
Arten des Autismus
Bis vor einigen Jahren wurde das Krankheitsbild des „Autismus“ klassischerweise in 3 hauptsächliche Untergruppen unterteilt. Oft ist eine eindeutige Zuordnung der Betroffenen nur schwer möglich. Die Übergänge sind fließend. Eine genaue Zuteilung findet nur noch selten statt. Daher spricht die Fachwelt heutzutage allgemein von einer „Autismus-Spektrum-Störung“.
Folgende Tabelle gibt Ihnen einen Überblick über die Autismus-Typen:
Kanner-Syndrom | Asperger-Syndrom | |
Zeitpunkt des Auftretens | vor dem 3. Geburtstag, meist im ersten Lebensjahr | ab dem 4. Lebensjahr |
Sprachentwicklung | stark reduziert | sehr gute Sprachentwicklung |
Motorische Entwicklung | unauffällig | meist gestört, häufig Koordinationsstörungen |
Intelligenz | meist stark reduziert (geistige Behinderung), gelegentlich normal | meist normal, gelegentlich hochbegabt |
Bei der dritten Hauptform, dem atypischen Autismus, handelt es sich um eine Ausprägung, die dem frühkindlichen Autismus sehr ähnelt, aber erst nach dem 3. Lebensjahr auftritt.
Die Ausprägung der einzelnen Formen reicht von einer starken Beeinträchtigung des Alltagslebens mit einer lebenslangen Notwendigkeit von Unterstützung bis hin zu leichten Beeinträchtigungen, die Außenstehenden kaum auffallen.
Behandlungsmöglichkeiten und Therapien bei Autismus
So unterschiedlich wie das Erscheinungsbild ist, so individuell ist auch die Therapie im Rahmen einer ASS. Mit dem Ziel der Entwicklung der größtmöglichen Selbstständigkeit und der Förderung der sozialen Interaktion kommen meist Verfahren der Verhaltenstherapie, Logopädie und Ergotherapie zum Einsatz. Bestehen Begleiterkrankungen wie Depressionen und Angststörungen, ist eine medikamentöse Behandlung dieser wichtig. Hier stehen neben verschreibungspflichtigen Präparaten bei leichten Formen auch pflanzliche Mittel zur Verfügung.
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Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Autismus
Hier finden Sie Antworten auf häufige Fragen rund um das Thema Autismus. Diese kurzen Antworten geben Ihnen einen schnellen Überblick über zentrale Aspekte der Autismus-Spektrum-Störung.
Woran erkennt man Autismus bei Kleinkindern?
Typisch sind fehlender Blickkontakt, reduzierte Reaktion auf äußere Reize und verzögerte Sprachentwicklung. Viele Kinder zeigen zudem Auffälligkeiten wie stereotype Bewegungen, intensive Fixierung auf bestimmte Objekte oder Routinen und Schwierigkeiten im sozialen Umgang.
Wann zeigen sich erste Autismus-Symptome?
Meist bereits im ersten Lebensjahr, spätestens jedoch bis zum dritten Geburtstag. Erste Anzeichen wie mangelnder Blickkontakt oder fehlende Reaktion auf Ansprache und Gestik sind oft schon früh zu erkennen.
Ist Autismus heilbar?
Autismus ist nicht heilbar, aber mit gezielten Therapien gut behandelbar, um die Lebensqualität deutlich zu verbessern. Therapieziele sind vor allem die Förderung sozialer Fähigkeiten, Kommunikationskompetenzen und Selbstständigkeit.
Gibt es Unterschiede zwischen Autismus bei Mädchen und Jungen?
Ja, Jungen sind statistisch häufiger betroffen. Symptome äußern sich bei Mädchen oft subtiler, weshalb sie häufig später oder weniger eindeutig diagnostiziert werden. Mädchen zeigen oft ausgeprägtere Anpassungsfähigkeiten, wodurch typische Autismus-Merkmale weniger offensichtlich erscheinen.
Welche Therapien helfen bei Autismus?
Erfolgversprechend sind insbesondere Verhaltenstherapie, Logopädie und Ergotherapie. Auch spezielle sozialkompetenzfördernde Trainings sowie Elterntrainings können hilfreich sein. Die Behandlung ist individuell und hängt von den spezifischen Bedürfnissen des Kindes oder der betroffenen Person ab.
Wie wirkt sich Autismus im Erwachsenenalter aus?
Im Erwachsenenalter bleiben die sozialen und kommunikativen Herausforderungen bestehen, jedoch lernen viele Betroffene, Strategien zu entwickeln, um damit umzugehen. Eine gute Unterstützung durch Therapie, Familie und soziale Netzwerke erleichtert es, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen.
Kann man mit Autismus ein normales Leben führen?
Ja, viele Autistinnen und Autisten führen ein selbstbestimmtes Leben, arbeiten erfolgreich in ihrem Beruf und pflegen Beziehungen. Die Voraussetzung dafür sind frühzeitige Diagnose, gezielte Unterstützung und individuelle Förderung der jeweiligen Fähigkeiten.
Was tun, wenn ich vermute, dass mein Kind Autismus hat?
Wenden Sie sich zuerst an Ihre Kinderärztin oder Ihren Kinderarzt, um eine fachärztliche Diagnose zu erhalten. Anschließend kann die Überweisung an spezialisierte Therapieeinrichtungen erfolgen, die individuell abgestimmte Unterstützung und Beratung anbieten.
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Stand vom: 28.03.2023
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